Die Junge Freiheit ist in einem ganzseitigen Artikel „Die Spreu vom Weizen trennen“ von Josef Hämmerling zur Ehrenrettung der Rocker angetreten (Nr. 19 – 2.5.2014, S. 12).
Die Kriminalitätsrate unter Rockern sei gesunken (eigentlich heißt das nur, dass es weniger Verfahren gibt) und sie seien seltener in Schwerverbrechen verwickelt. Die Razzien gegen die Hells Angels seien Verschwendung von Steuergeld, es sei schlimm, dass man nicht wisse wie viel Geld genau hier ausgegeben wird. Von 1.000 Hells Angels gäbe es für 990 keine Erkenntnisse bzw. Beweise, dass sie zur Organisierten Kriminalität gehören. 2012 gab es nur 31 Ermittlungsverfahren.
Gemäß einer solchen Argumentation hätten wir auch kein Problem mit Zwangsprostitution, Geldwäsche, Mafia oder muslimischen Ehrenmorden, überall ist die Zahl der Verfahren beschämend gering, die Zahl der Verurteilungen noch geringer und die Zahl der Dunkelziffer hoch. Die Junge Freiheit meint, dass Rocker in Deutschland diskriminiert werden, nur weil man ihre Zugehörigkeit an der Kleidung sehen kann. Arme Rocker! Die JF lobt auch die Auflösung etlicher gewalttätiger Chapter. Das ist wirklich nicht nachzuvollziehen. Die Chapter werden aufgelöst, wenn der Verfolgungsdruck zu stark wird, und meist an der nächsten Stelle wiedereröffnet.
Die Junge Freiheit wäre nicht die Junge Freiheit, wenn sie nicht das Problem stattdessen bei Nichtdeutschen sehen würde. Und zwar gleich auf zweifache Weise.
Zum einen verweist die JF darauf, dass die Streetgangs, die vorwiegend aus Migranten bestehen und sich oft nach Ethnien oder Nationalitäten organisieren, ein viel größeres Problem darstellten. 1. Die Streetgangs seien viel gefährlicher, weil viel eher Unbeteiligte Opfer werden. 2. Zudem hätten die Hells Angels und die Rockergangs einen Ehrenkodex, während die Streetgangs „mit den traditionellen Rockerclubs absolut nichts gemein haben“.
Zu 1. Hat die JF noch nie von unbeteiligten Menschen gehört, die starben oder querschnittsgelähmt sind, weil sie zufällig in einer Bar oder in einem Bahnhof waren, als Rockergangs sich gegenseitig angriffen? (Mehr dazu unten.) Zu 2. „Ehrenkodex“? Nach allen einschlägigen Veröffentlichungen besteht der vor allem darin, Mitglieder mit Gewalt zu verteidigen, egal ob sie schuldig oder unschuldig sind, und Aussteiger zu bedrohen. Und 3. Und selbst wenn das stimmt: Seit wann entschuldigen sich Verbrechen damit, dass andere noch mehr begehen?
Zum Zweiten führt die JF die wachsenden Probleme der Rockergangs darauf zurück, dass diese zunehmend Ausländer aufnehmen. „Richtig ist, daß die MCs zum Teil selbst schuld an ihrem Image sind. Gerade in den Chaptern der Städte mit großem Rotlichtmilieu gab es zuletzt Verteilungskämpfe. Dabei nahmen viele MCs verstärkt auch ausländische Mitglieder auf, denen es nur um Geld und Einfluß ging. Die alten Traditionen wie das Prinzip der Bruderschaft und selbst das Motorradfahren gelten ihnen nichts mehr – und der in den jeweiligen Clubs geltende Ehrenkodex erst recht nicht. Da fällt es zunehmend schwer, die Spreu vom Weizen zu trennen. So gab es in vielen Rockerclubs zum Teil massive interne Auseinandersetzungen bis hin zu Schlägereien zwischen den Alten und den, wie sie genannt werden, jungen Wilden. Medienberichten zufolge trafen sich vor kurzem sogar führende Hells Angels aus ganz Europa in Luxemburg, um über diese Problematik zu sprechen.“
Ausländischen Mitgliedern geht „es nur um Geld und Einfluß“ und deutschen nie? Motorradfahren gilt „ihnen nichts mehr“, den deutschen Mitgliedern aber doch und das macht sie zu besseren Menschen? Deutschen Mitgliedern geht es um einen „Ehrenkodex“, alte „Traditionen“, um das „Prinzip der Bruderschaft“ und um „das Motorradfahren“. Ausländische haben keinen Ehrenkodex und keine Traditionen? Und: ob all das die Opfer von Schutzgelderpressung, Schlägereien, bis hin zu Totschlag auch so sehen?
Also kaufte ich mir zwei Bücher von Stefan Schubert, dessen neues Buch zu den Streetgangs in der JF beworben wurde (Gangland Deutschland: Wie kriminelle Banden unser Land bedrohen. Riva: München, 2014) und dessen anderes Buch über die Rockergangs (Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten. Riva: München, 2012), das vor zwei Jahren erschien. Beide Bücher breiten detailliert erschreckendes Material aus. Beide zeigen, dass unser Rechtsstaat vor allem durch die übliche Einschüchterung von Zeugen lahmgelegt wird, aber auch durch völlig unverständlich weiche Urteile zahlreicher Gerichte. Überaus deutlich weist Schubert auf den ethnischen Hintergrund der meisten Streetgangs hin und dass der deutsche Staat diesem Umstand immer noch nichts Sinnvolles entgegenzusetzen hat. Und er zeigt auf, dass das Problem seit 2010 förmlich explodiert.
Aber gerade deswegen ist Schubert völlig unverdächtig, wenn er über die Hells Angels und ihre Konkurrenten schreibt. Demnach ist das Problem brutaler Gewalt so alt wie die Hells Angels selbst, nämlich sechs Jahrzehnte. Es wurde so schon nach Deutschland exportiert, wo die Hells Angels nach den USA heute am verbreitetsten sind. Schutzgelderpressung, Schlägereien mit Todesfolge, Einschüchterung von Zeugen sind Alltag. Man kann es kaum glauben, was Schubert detailliert belegt und beschreibt. An ungezählten Beispielen zeigt er etwa auch, dass die Auflösung von Chaptern eine jahrzehntealte Methode ist, der Strafverfolgung aus dem Weg zu gehen. Und er liefert viele erschütternde Beispiele dafür, dass deutsche Richter seines Erachtens nicht nur bei ausländischen Streetgangs, sondern auch bei ‚deutschen‘ Rockern allzu häufig viel zu geringe Urteile fällen und alle Augen zudrücken.
Die JF beweist hier jedenfalls, dass sie die ganze Problematik nur durch die Brille Deutsche/Ausländer sieht und deutsche Verbrecher schönredet, nur weil sie deutsch sind.
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